Stellungnahme des SKM Diözesanvereins Freiburg, der Männerberatungsstellen beim SKM Rastatt und SKM Sigmaringen zur Studie „Zum Stand der Gleichstellung in Baden-Württemberg“

In seiner Stellungnahme vom Mai äußert sich der SKM kritisch zur vorgelegten Studie „Zum Stand der Gleichstellung in Baden-Württemberg“ und identifiziert gewisse Lücken in Zugang und Fragestellung.

Gerade bei seiner Arbeit in den Männerberatungsstellen des Netzwerks „Echte Männer Reden“ erlebt der SKM bei Männern eine gewisse Orientierungs- und Ratlosigkeit in Bezug auf Rollenzuschreibungen, bei eigenen und herangetragenen Erwartungen an sich als Mann. So steht die eigene Sozialisation in oft noch traditionellen Zuschreibungen teilweise im Gegensatz zu den Erwartungen und Rahmenbedingungen einer modernen, gleichberechtigten Gesellschaft. Vielen Männern, die in den Beratungsstellen Hilfe suchen, fehlen demnach Ideen und Handlungsoptionen für eine eigene Lebens- und Gesellschaftsgestaltung unter den Gesichtspunkten Geschlechtergerechtigkeit und Gleichstellung.

Aus unserer Sicht werden diese Rollenkonflikte von Männern im Bericht zur Gleichstellung in Baden-Württemberg in keiner Weise erwähnt oder berücksichtigt. Dabei ist das Ziel Geschlechtergerechtigkeit und Gleichstellung nur im Zusammenwirken aller Geschlechter gemeinsam zu erreichen.
Im Bewusstsein, dass die benannten Probleme von einzelnen sowie die hemmenden Faktorengesamtgesellschaftlich tief in der geschlechtlichen Sozialisation verwurzelt sind, fehlen uns auf die Männer bezogene Leitfragen in der Gleichstellungsstrategie.

männer.bw bei der Präsentation der Studie »Gewalt gegen Männer in Partnerschaften – von der Scham zur Hilfe«

Die Erforschung der Gewaltvorkommnisse, die Männern widerfährt, ist auch nach fast fünfzig Jahren geschlechtsspezifischer Gewaltforschung immer noch nur rudimentär entwickelt und stößt in Forschungseinrichtungen auf wenig Interesse. Diese Zurückhaltung – im Gegensatz zu den zahlreichen quantitativen und qualitativen (auch explorativen) Untersuchungen der Gewaltvorkommnisse gegen Frauen im deutschen und europäischen Raum und der erlangten hohen öffentlichen Aufmerksamkeit – wäre eine eigene Untersuchung wert.

Umso erfreulicher ist die von der größten Opferhilfeorganisation „Weißer Ring“ angeregte und finanzierte quantitative Studie »Gewalt gegen Männer in Partnerschaften – von der Scham zur Hilfe. Eine empirische Untersuchung zur Situation in Deutschland.« Am Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) wurden jetzt die Ergebnisse vorgestellt. Die repräsentative Stichprobe umfasste 12.000 Männer im Alter von 18 bis 69 Jahren. Den Angaben der Forschenden zufolge nahmen 10 % (1.209) auswertbar teil, die nach Opfererfahrungen und Täterschaft befragt werden konnten. Zudem flossen die Erkenntnisse aus vertiefenden qualitativen Interviews mit 16 Betroffenen in das Gesamtergebnis ein.

54 % der befragten Männer haben bereits Gewalt in einer Partnerschaft erlebt. Das betrifft psychische Gewalt bei 39,8 %, Kontrollverhalten bei 38,6 %, körperliche Gewalt bei 29,8 %, digitale Gewalt bei 6,5 % und sexualisierte Gewalt bei 5,4 % der Befragten. Zwei Drittel der Befragten leiden unter Folgen der partnerschaftlichen Gewalt, vor allem psychisch bei 66 %, aber auch körperlich bei 12 % der betroffenen Männer. Die Komplexität von Partnerschaftsgewalt zeigt sich daran, dass die größte Gruppe der Befragten (75 %) zugleich Opfer ist, aber auch Tatanteile hat, so dass oft keine klare Täter-Opfer-Konstellation auszumachen ist. Nur ein mit 7,9 % sehr kleiner Teil der Befragten nahm Kontakt zur Polizei oder zu anderen Anlauf- und Beratungsstellen auf. Mit diesem Befund fordert der Forschungsbericht einen anderen Umgang mit Partnerschaftsgewalt und formuliert acht Handlungsempfehlungen (S. 203f).

  1. Das Angebot an Beratungsstellen, die spezialisierte Angebote für gewaltbetroffene Männer vorhalten, sollte deutlich ausgebaut werden.
  2. Im Beratungskontext sollte die Komplexität von Partnerschaftsgewalt berücksichtigt werden: Viele Betroffene haben selbst schon einmal Gewalthandlungen begangen und viele dysfunktionale Beziehungen sind von einer wechselseitigen Gewaltdynamik gekennzeichnet.
  3. Männer benötigen eine proaktive Ansprache, um die Beratungsquote zu erhöhen. Aufgrund der stigmatisierenden Wirkung des Gewaltopfer-Begriffs und wegen der sehr unterschiedlichen Auffassungen von Gewalt könnte erprobt werden, ob ein Verzicht auf den Gewaltbegriff die Ansprache verbessert. Eine solche Ansprache könnte auch verwendet werden, um Männer bereits vor dem eigentlichen Gewaltausbruch für eine Beratung zu motivieren, was im Sinne einer Prävention sehr wünschenswert wäre.
  4. Auch für Männer braucht es mehr Orte, an denen sie bei Bedarf spontan Unterkunft finden, gegebenenfalls auch mit Kindern (Männerhäuser).
  5. Polizeibeamte sollten für unterschiedliche Täter-Opfer-Konstellationen bei häuslicher Gewalt noch stärker sensibilisiert werden.
  6. Partnerschaftsgewalt in all seinen Facetten sollte Gegenstand einer Sensibilisierungskampagne sein, die auch die Betroffenheit von Männern thematisiert, Betroffene auf Hilfe- und Beratungsmöglichkeiten hinweist und die Rolle und Aufgaben der einzelnen Akteur*innen (Beratungsstellen, Polizei, Gerichte) erklärt.
  7. Gerade in pädagogischen Einrichtungen braucht es schon früh einen kritischen Umgang mit männlichen und weiblichen Stereotypen. Jungen sollten ebenso wie Mädchen ermutigt werden, sich von gesellschaftlichen Vorstellungen zu emanzipieren; Gefühle zu zeigen und zu verbalisieren darf nicht als unmännlich gelten.
  8. Beim Kampf gegen Partnerschaftsgewalt dürfen nicht beide Geschlechter gegeneinander ausgespielt werden. Das bedeutet, dass auch die Gewalt von Männern gegenüber Frauen weiterhin angemessen problematisiert und mit Maßnahmen angegangen werden muss.

Die Perspektive auf die Erforschung der Partnerschaftsgewalt ist ein erster Schritt, um zukünftig die Gesamtheit der gegen Männer gerichteten Gewaltvorkommnisse besser in den Blick nehmen zu können. Die Erforschung der über Partnerschaftsgewalt hinausreichenden öffentlichen und kulturellen Gewalt steht an. Sie könnte ein zentraler Ansatzpunkt für den grundlegenden Schutz von Männern vor der Missachtung ihrer Verletzlichkeit sein.

Hans-Joachim Lenz

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Arbeitspapier Lebensbalance

Lebensentwürfe von Männern folgen im 21. Jahrhundert häufig nicht mehr einem traditionellen Schema. Viele Lebensbereiche wollen unter einen Hut gebracht werden: Erwerbsleben, Haushalt, Partnerschaft, Vaterschaft, Freundschaften, bürgerschaftliches Engagement, Hobbies.

Da ist Lebenskunst gefragt: immer wieder bewusste Entscheidungen, welchem Lebensbereich wieviel Raum gewidmet wird. Allerdings gibt es da auch Sachzwänge: Wie hoch ist der Verdienst? Wieviel Erwerbsarbeit ist notwendig, um den eigenen und ggf. den Lebensunterhalt von anderen zu sichern? Wieviel Care-Arbeit brauchen die Kinder oder pflegebedürftige Eltern? Sind da noch andere Unterhaltsverpflichtungen? Und welche Ressourcen stehen dafür zur Verfügung?

Die Vielfalt von Ansprüchen und Ambitionen kann zum Burn-out führen, wenn diese nicht immer wieder klug sortiert und priorisiert werden. Ein Zugang zur eigenen Gefühlswelt und zu den eigenen Kraftquellen ist dafür auf Dauer unerlässlich. Manche Dysbalance ist hausgemacht – aber viele Lebenssituationen lassen sich nicht ganz so einfach ins Gleichgewicht bringen.

Für eine gute Lebensbalance gibt es keine einfachen Rezepte. Zumal das, was man plant und beabsichtigt, durch unvorhersehbare Ereignisse, durch Zu-, Glücks- oder Unglücksfälle, ergänzt und verändert wird. Jedenfalls ist es gut, wenn das Thema Lebensbalance unter Männern im Gespräch ist. Und es ist ein wichtiges Thema im betrieblichen und öffentlichen Gesundheitswesen. Auch die Gesundheits- und Sozialpolitik muss sich Vereinbarkeitsthemen aus einer Perspektive von Männern und Vätern annehmen. Neben dem, was Männert und Väter selbst tun können, erhöht das die Chancen darauf, dass der Gender Care Gap, der ungleiche Zeitaufwand für unbezahlte Sorgetätigkeiten, oder auch die ungleiche Lebenserwartung von Frauen und Männern, der „Life Expectancy Gender Gap“, verringert werden.

Tilman Kugler, männer.bw – November 2022

Forum Männer und Väter in Baden-Württemberg gegründet

Gleichstellung, Gesundheit, Gewalt, Bildung, Migration und Integration, Vielfalt, Beruf und Lebensbalance, Alter und nicht zuletzt Vaterschaft: All dies sind Themen, die das neu gegründete Forum Männer und Väter in Baden-Württemberg beschäftigen werden. Gegründet am 24. Juni 2021 bei einer Online-Veranstaltung wird das Forum ein Dachverband für das Land Baden-Württemberg sein, das sich als Fürsprecher für die Interessen von Männern und Vätern einsetzt.

Die zwölf Gründungsmitglieder vertreten landesweit aktive Organisationen, Vereine und Verbände etwa aus dem Bereich der Bildung (vhs-Verband B-W), der Gesundheit (Kompetenzzentrum Jungen- und Männergesundheit) der Väterorganisationen, der (kirchlichen) Männerarbeit und der kirchlichen Akademien. Auch der kommunale Bereich ist mit dabei.

Unterstützung erhielt die Gründung mit der Anwesenheit der sozialpolitischen Sprecher:innen der Landtagsfraktionen von Grünen, CDU, SPD und FDP (Petra Krebs MdL, Stefan Teufel MdL, Andreas Kenner MdL, Niko Reith MdL) und durch die Beteiligung des Sozialministeriums.

Klaus Schwerma, stellvertretender Geschäftsführer des Bundesforums Männer, Interessenverband für Jungen, Männer und Väter in Deutschland, gab ein Grußwort und einen Impuls zu einer gleichstellungsorientierten Männerpolitik. Als Landesverband wird das Forum Männer und Väter in Baden-Württemberg schnellstmöglich Mitglied im Bundesforum Männer werden. Dabei teilt und verpflichtet sich die LAG auf die „Politische Plattform“ des Bundesforums Männer: https://bundesforum-maenner.de/ueber-uns/plattform/

Das Forum sieht sich als Kooperationspartner in Ergänzung zu bereits bestehenden Dachverbänden in Baden-Württemberg wie der LAG Jungenarbeit, dem Landesfrauenrat oder dem Landesseniorenrat und hat hier im Vorfeld der Gründung schon das Gespräch aufgenommen.

Der Koalitionsvertrag der Landesregierung aus diesem Jahr beinhaltet das Vorhaben einer ressortübergreifenden Strategie für die Gesundheitsförderung und einer ressortübergreifenden Gleichstellungsstrategie. Die Mitarbeit und Beratung bei der Erarbeitung dieser Strategien wird deshalb ein erstes Anliegen des Forums sein.

In der Rechtsform eines nicht eingetragenen Vereins ist es das Ziel des Forums, eine „schlanke“ Organisation zu bleiben, die flexibel und sachorientiert arbeiten kann. Weitere Organisationen und Personen, die zum Thema „Männer, Väter und Großväter“ im Forum mitarbeiten möchten, sind herzlich willkommen.

Kontakt zum Forum Männer und Väter in Baden-Württemberg:
Dr. Thomas König (Akademie DRS), Dr. Michael Lesky (vhs-Verband B-W), Dietmar Lipkow (LEF), Gunter Neubauer (komm b-w)